Das letzte Geheimnis der Enigma wird entschlüsselt

2023-03-08 13:58:41 By : Ms. Agnes Zhang

Carola Dahlke, Kryptografie-Kuratorin des Deutschen Museums in München, mit einem sogenannten Schlüsselgerät 41, einer Weiterentwicklung der berühmten Enigma. (Foto: Fraunhofer)

Das letzte Geheimnis der Enigma wird entschlüsselt

Über 70 Jahre blieb der Wissenschaft das Innenleben der Chiffriermaschinen verwehrt – doch jetzt kommen Super-Computertomografen zum Einsatz

Mit Spezialhandschuhen untersucht Carola Dahlke, die Kryptografie-Kuratorin des Deutschen Museums in München, das sogenannte Schlüsselgerät 41, eine Weiterentwicklung der berühmten Enigma. Man mag es kaum glauben, dass der verrostete Kasten in dieser Größe und Beschaffenheit mit entscheidend war für den Ausgang des Zweiten Weltkriegs. Das Chiffriergerät hat nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs rund 70 Jahre in der feuchten Erde gelegen, bis es zufällig bei Ausgrabungen gefunden wurde. Gemeinsam mit rund 60 anderen Chiffriergeräten aus der Sammlung des Deutschen Museums wird es jetzt in einem besonders leistungsstarken Röntgengerät des Fürther Fraunhofer-Entwicklungszentrums Röntgentechnik gescannt, um ihm seine letzten Geheimnisse zu entlocken.

Die Enigma – angelehnt an das griechische Wort für Rätsel – ist eine sogenannte Rotor-Schlüsselmaschine, die im Zweiten Weltkrieg zur Verschlüsselung des Nachrichtenverkehrs der Wehrmacht verwendet wurde. Später benutzten auch die Gestapo und die SS diese Vorrichtung zur geheimen Kommunikation. Für die Alliierten war die Entschlüsselung der Enigma-Funksprüche kriegsentscheidend, denn über diese koordinierten die Deutschen ihre U-Boote im Nordatlantik und attackierten die Hilfskonvois aus den USA für die bedrängten Briten. Die Landung in der Normandie 1944 wiederum fand nur deshalb am schlussendlich ausgewählten Ort statt, weil Briten und Amerikaner Funksprüche der Nazis abfingen, aus denen hervorging, dass das Oberkommando der Wehrmacht mit einem anderen Landungsort rechnete. Eine ganze Einheit der Royal Navy beschäftigte sich in der Dienststelle Bletchley Park mit der Entschlüsselung, bis diese endlich gelang. Im Jahr 2001 wurde die Geschichte mit Kate Winslet in der Hauptrolle sogar verfilmt.

„Wir versprechen uns von diesem Forschungsprojekt neue Erkenntnisse über die Konstruktion der Chiffriergeräte und ihren Funktionsweise“, sagt Carola Dahlke. „Chiffriergeräte lassen sich einfach nicht zerstörungsfrei öffnen.“ Die Konstrukteure wollten das Innenleben der Maschinen vor unbefugten Einblicken schützen – um die Funktionsweise der Geräte geheim zu halten und um Nachbauten zu verhindern. „Manche Chiffriergeräte sind verschweißt oder sogar mit einer rätselhaften Masse gefüllt, die dafür sorgt, dass das Innenleben der Maschine zerstört wird, wenn man das Gehäuse öffnet“, verrät die Kuratorin.

Das Innenleben der Geräte erforschen kann man dank modernster Technik trotzdem. Und zwar in Fürth, hinter den meterdicken Wänden der Halle des Fraunhofer-Entwicklungszentrums Röntgentechnik EZRT, einem Forschungsbereich des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen. Die Halle birgt eine tonnenschwere Röntgenquelle mit zwei Detektoren. Mit diesem Schwergewicht schaffen die Fraunhofer-Forscher*innen auch Durchleuchtungen von Großobjekten. So machte sich unter anderem auch schon einer der am besten erhaltenen Schädel eines Tyrannosaurus Rex aus Montana auf den Weg nach Fürth: Die hier gemachten Röntgenbilder suchen weltweit ihresgleichen.

Die Chiffriergeräte werden vorsichtig auf den Drehtellern des Scanners positioniert. Die Scans der XXL-CTs garantieren höchste Bildqualität in 3D, mit ihnen lassen sich millimetergenaue Nachbauten der Enigma und anderer Chiffriergeräte anfertigen. Sie benötigen aber starke Röntgenstrahlung. Carola Dahlke und ihr Team warten deshalb hinter einer dicken Stahltür. Den Scanner kann man sich vorstellen wie einen Computertomografen beim Arzt – nur, dass sich hier keine Röntgenröhre um einen Menschen herumdreht, sondern das Objekt auf einem Drehteller platziert wird und sich dreht, während die Röntgenquelle an ihrem Platz bleibt. Und auch die Röntgenquelle ist viel stärker als bei einem medizinischen Computertomografen. „Das ist nötig, da die Objekte zu einem großen Teil aus Metall bestehen und für konventionelle Röntgenröhren damit schwer zu durchdringen sind“, so Dahlke. Interessant für die Forschenden ist es auch, Unterschiede in der Mechanik der verschiedenen Chiffriergeräte zu finden. Einige von diesen stammen aus der Nachkriegszeit, beispielsweise aus der Schweizer Crypto AG von Boris Hagelin. Das Unternehmen hatte ein geheimes Abkommen mit dem amerikanischen Geheimdienst CIA: Es lieferte Chiffriergeräte aus, deren Sicherheitsstandard nur mittelmäßig war – was den US-Spionen die Möglichkeit bot, vermeintlich sicher verschlüsselte Nachrichten mitzulesen. Erst vor zwei Jahren wurde der Deal bekannt. (André Paul)  

Bildunterschrift zum Foto im Text: Die Chiffriergeräte werden auf Drehtellern positioniert, im Hintergrund läuft der Scanner. (Foto: Fraunhofer)

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